Ohne Facebook

Als ich vor Kurzem mit einem Freund telefonierte, bemerkte ich so ganz beiläufig:
„Ja, eigentlich ist grad alles voll gut, ich bin halt grad recht viel online.“
Und er so: „Mehr als du eigentlich willst?“
Und ich: „Hm, ja, irgendwie schon.“
Und schon waren wir beim Thema. Wie ich in den letzten Tagen in jeder freien Minute auf Facebook geschaut habe; wie ich immer wieder die gleichen Schlagzeilen las; wie ich immer wieder auf „neu laden“ klickte um herauszufinden, ob wieder was Neues draufsteht.
Und wie mich das überhaupt nicht interessiert! Mich interessieren weder die ganzen negativen Schlagzeilen, noch die meist völlig belanglosen Posts von Freunden und Bekannten. Und trotzdem ist mein erster Impuls, wenn ich mit irgendeiner Aufgabe fertig bin und kurz entspannen will: jetzt mal kurz auf Facebook schauen. Dann die kurze Befriedigung und Entspannung und dann diese Leere. Als mein Telefon-Freund und ich das also etwas unter die Lupe nahmen, meinte er so: „Irgendwie klingt das ziemlich nach Suchtverhalten.“
Und ich so: „Oh mein Gott! Du hast so recht.“

Meine Facebook-Sucht und ich

Also bin ich jetzt seit Mittwoch ohne Facebook unterwegs. Fünf Tage ohne! Vor allem am Mittwoch habe ich noch echt lange mit mir gehadert, weil ich so dringend auf Facebook schreiben wollte, dass ich ab jetzt nicht mehr auf Facebook bin. Und mich für alle Eventualitäten wappnen wollte, falls ich jemanden, dessen Kontakt ich nur auf Facebook habe, kontaktieren will. Hab ich aber nicht. Kann ich ja im Fall der Fälle immer noch tun.

Besonders spannend war aber zu beobachten, welche Ersatz-Strategien sich auftaten: zuerst fiel mir Livejournal ein, dann diverse Internet-Foren. Und dann merkte ich, dass E-Mails anschauen eigentlich auch einen ziemlich ähnlichen Effekt haben. Aber auf die mag ich grad nicht verzichten. Und als ich mir das alles verwehrte, aß ich Schokolade.

Am zweiten Tag merkte ich aber bereits, dass ich mehr Lust hatte, Dinge anzugehen, die schon länger rumlagen. Wie z.B. mich um den Abfluss im Bad kümmern, Eicheln schälen, Rote Bete-Aufstrich machen, usw.

Wozu aber bitte ohne Facebook?

Facebook ist schließlich auch ultra-nützlich. Für unser Café und für unsere Transition Initiative ist das eine großartige Werbefläche. Und mit manch einem lieben Menschen hat man ja nur über Facebook wieder zu einem Kontakt gefunden. Und dann ist es noch so praktisch mit seinem Instant Messenger. Und es tut ja niemandem weh.

Nur: all diese Dinge tue ich ja nicht, wenn ich dort bin. Ich scrolle stupide diese blöde Timeline rauf und runter und lese irgendwas, was mich nicht interessiert. Und wenn ich wieder einen Blog-Eintrag geschrieben habe, warte ich, ob das jemand kommentiert oder liked.
Und wenn ich damit aufhöre, entsteht erstmal eine Leere. Etwas, was mich nachhaltig glücklich macht, würde mich anfüllen mit Freude und Glück, anstatt alles zu entziehen.

Wenn ich mir das so anschaue, klingt das ziemlich dämlich. Warum sollte man sowas tun?
Werfen wir einen Blick auf die Bedürfnisse, die sich dadurch erfüllen: offensichtlich geht es da um Entspannung und Leichtigkeit. Jetzt auf Facebook zu schauen und da rumzuscrollen, war offensichtlich das Leichteste und gleichzeitig für mich Akzeptabelste, was gerade zur Verfügung stand. Wenn’s um meine Blogartikel geht, geht es sicher auch um Anerkennung.
Und dann kommt noch sowas wie Loslassen dazu. Das geht je nach Situation so weit, dass mein Selbst verschwindet und nur noch das da ist, was von außen kommt. Das passiert noch mehr beim Filmschauen und Lesen. Und dabei geht es auch um Verbindung und Gemeinschaft, weil ich irgendwie ja etwas mitbekomme vom Leben der anderen und von der Welt da draußen.

Alternativen

Wenn ich also kein Facebook mehr „darf“ und Alternativen wie Livejournal und Filmschauen auch erstmal meiden will, was bleibt dann um diese ganzen Bedürfnisse – am besten auf einmal – zu erfüllen?
Entspannung, Leichtigkeit, Loslassen, Verbindung und Gemeinschaft.

Wir kamen darauf, dass gemeinschaftlich am Lagerfeuer sitzen und sich gegenseitig Geschichten erzählen da ziemlich nah dran kommt. Und natürlich der echte Kontakt mit vertrauten Menschen. Und Kuscheln. Und Meditation. Und vielleicht fallen euch noch mehr ein.

Wenn ich außerdem den Tag über für diese einzelnen Bedürfnisse bereits gut gesorgt habe, komme ich am Abend nicht so sehr in die Not.

Und wie geht’s weiter?

Leider gibt es Dinge, die muss ich über Facebook machen, wie z.B. Veranstaltungen oder Posts für das Café oder für die Transition Initiative erstellen. Das kommt am Montag wieder auf mich zu.
Und dann geht es darum, zu verhindern zu versacken. Dafür habe ich mir zwei Strategien zurechtgelegt. Entweder schnappe ich mir meinen Freund oder eine andere Person in der Nähe und bitte diese, solange dabei zu bleiben, bis ich fertig bin. Oder, wenn das nicht geht, stelle ich mir einen Wecker auf 5 Minuten, sobald ich eingeloggt bin.
Und ich werde berichten, wie sich das alles so weiterentwickelt.

Hier geht’s zu Teil 2: Alltag ohne Facebook (Teil 2)

3 Meinungen zu “Ohne Facebook (Teil 1)

  1. Ich bin das Problem ja erstmal „light“ angegangen, indem ich vielen Leuten entfolgt bin.So kann ich zwar mit ihnen in Kontakt treten, wenn ich das möchte, die timeline ist aber nicht ganz so überschwemmt und das durchscrollen dauert nicht ganz so lang 😉

    1. Ich werde mal sehen, wie sich das jetzt einpendelt. Wie gesagt, muss ich ja einmal die Woche wegen dem Café drauf. Entfolgt bin ich auch schon vielen, aber vielleicht nicht genug 😉

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