essgewohnheit

Die Macht der Essgewohnheit

Als ich noch jünger war, aß ich fast nichts. Zum Frühstück gab es Nutella mit Brie oder Kellogg’s, mittags Tütensuppen, wenn es etwas ausgefallener sein sollte doch mal Nudeln mit Tomatensoße (aus dem Päckchen) oder Pfannkuchen. Abends wurde Pizza bestellt oder Sandwiches gemacht. In der Tomatensoße durften keine Tomatenstückchen oder Zwiebeln sein. Zucchini und Auberginen mochte ich nicht, Pilze verabscheute ich. Zwiebeln durfte man nicht sehen im Essen. Spinat musste klein püriert und mit Sahne sein, damit ich ihn essen konnte. Rote Bete mochte ich nicht, alle Sorten von Kohl schon gleich zweimal nicht. Und über saure Gurken will ich gar nicht reden. Und Kümmel erst! Und das ist noch gar nicht so lange her [1]geschätzt 5 Jahre.

Mittlerweile esse ich eigentlich alles [2]was vegan ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich an so ziemlich jeden Geschmack gewöhnt [3]vielleicht abgesehen von Brottrunk. Dazu möchte ich eine Anekdote aus der Lotos-Küche erzählen:

Ich habe als Köchin den Auftrag bekommen, eine Meerrettich-Soße zu machen. Meerrettich mochte ich nicht. Aber ich sollte die Soße ja nicht essen, nur machen. Also sah ich mir das Rezept an und legte los. Irgendwann kam der kritische Moment: ich musste die Soße abschmecken! Dazu hieß es immer wieder probieren, nachwürzen, probieren, nachwürzen, usw.
Empfand ich den Geschmack von Meerrettich zu Beginn noch als „igitt“, wandelte sich das nach dem zehnten Abschmecken doch tatsächlich in „naja, ist doch eigentlich auch essbar“.

Natürlich gibt es immer noch Dinge, die ich lieber esse als andere, z.B. Kürbis lieber als Spargel. Aber es gibt kaum noch etwas, das ich stehen lassen würde, wenn man es mir vorsetzte. Nun ja, an milchsaures Gemüse und Algen im großen Stil müsste ich mich wohl wirklich noch gewöhnen.

Vielleicht gibt es auch wirklich Geschmäcker, die sich für manch einen nicht ertragen lassen. Aber meiner Erfahrung nach ist Geschmack reine Gewohnheit.

Warum neue Geschmäcker erforschen?

Natürlich stellt sich die Frage: Warum sollte ich mir überhaupt die Mühe machen, noch mehr Geschmäcker schätzen zu lernen? Ich bin doch zufrieden damit, dass ich xyz nicht mag!

Meine Gründe sind die:

  1. Ich ernähre mich vielseitiger, evtl. saisonaler und gesünder.
  2. Ich persönlich finde es eine Erleichterung, wenn ich eingeladen bin und nur dazu sagen muss, dass ich vegan esse, anstatt aufzuzählen, was ich alles sonst nicht essen will.
  3. Ich habe mehr Möglichkeiten, was ich für mich kochen kann.
  4. Eine Ernährungsumstellung, sei es durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder den Schritt zu Vegetarismus/Veganismus, ist leichter durchführbar, wenn ich ein größeres Repertoire an Nahrungsmitteln habe, die ich grundsätzlich esse.
  5. Ich lerne öfter mal was Neues kennen!

Ich möchte ermutigen, einfach mal auszuprobieren. Recherchiert aber zunächst, wie man z.B. das Gemüse zubereiten sollte, damit es schmeckt. Oft kennen wir nur eine Zubereitungsart oder haben nur Gemüse aus der Dose gegessen. Hinterfragt mal, warum euch etwas bestimmtes nicht schmeckt. Und gebt euch beim Ausprobieren nicht gleich die volle Dosis, lieber erstmal klein anfangen. Und ganz wichtig: Verwendet möglichst frisches Bio-Gemüse, das gerade Saison hat. Man schmeckt das!

Wie sind eure Erfahrungen?

Fußnoten

Fußnoten
1 geschätzt 5 Jahre
2 was vegan ist
3 vielleicht abgesehen von Brottrunk

2 Meinungen zu “Die Macht der Essgewohnheit

  1. Die Gewohnheit besteht vor allem darin kein Risiko eingehen zu wollen was Neues zu probieren – gerade die asiatischen Süß-Sauer-Gerichte, Kombinationen von fruchtigen mit herzhaften Zutaten (für Einsteiger: Sauerkraut mit Rosinen oder Bauernschmaus mit Trauben fand ich überraschend besser als die „traditionellen“ Varianten), intensiv ätherisch-scharfe indische Gewürze oder gesalzene Süßigkeiten brauchen erstmal Überwindung und schmecken vor allem am Anfang eher abschreckend. Wenns bei der Zubereitung komisch riecht (gern der Fall wenn es aus dem Meer kommt) oder eklig aussieht (englische Puddings) gibts schon vorab die Erwartung daß es auch so schmeckt.

    Selber kochen (also wirklich selber, nicht nur Tüten und Dosen aufratschen) ist da ganz hilfreich, denn da kann man sich in kleinen Schritten herantasten was alles schmeckt und was eher nicht.

    Recht aufschlußreich kann da ein Besuch bei der gehobenen Küche sein, die dortigen Köche sind ziemlich gut darin ungewöhnliche Zutaten oder Kombinationen so zuzubereiten daß sie auch dem eher wenig aufgeschlossenen Esser gut schmecken. Betrifft in dem Fall vor allem die nicht-veganen Zutaten (Innereien, Meeresfrüchte,…). Auf rein pflanzliche Kost spezialisierte Köche sind in der Regel ähnlich gut, für den Durchschnittsesser aber nicht selten schon zu exotisch um einen Versuch zu wagen.

    Schlechte Ersterfahrungen machen auch viel aus: Ein Schulfreund von mir ißt keine Tomaten (weil seine Mutter immer diese länglichen italienischen kaufte die ungekocht tatsächlich widerlich schmecken), ich selber hab als Kind jahrelang Leberwurst ekelhaft gefunden weil die erste Sorte die ich gegessen hab tatsächlich sehr unangenehm schmeckte, und meine Eltern essen keine Muffins obwohl sie Rührkuchen mögen weil deren erste Begegnung Muffins waren die mit Milch gemacht worden sind die wohl schon Wochen ungekühlt herumstand.

    Daß Gemüse landläufig nur als Sättigungsbeilage gesehen wird ist da fast schon nebensächlich, liegt daran daß es hierzulande meist ziemlich fad und lieblos gekocht wird (daß das eigentliche fleischbasierte Hauptgericht meist genauso ignorant zubereitet wird bleibt dabei meist unbemerkt – oftmals ist es nur die Soße, Panade oder ähnlicher Zusatzkram der dem Essen überhaupt Geschmack verleiht).

    Die Gewöhnung kann durchaus auch körperlich sein – wenn man an salz- und fettlastige üppige Kost gewohnt ist wird man durch leichtere Gerichte mit dezenten Aromen kaum zufriedenstellend satt, und umgekehrt kann einen die typische Imbiß- und Fernfahrerkost geradezu erschlagen wenn man es nicht oder nicht mehr gewohnt ist.
    Sehr bezeichnend ist da die Metzgerei in der Nähe vom hiesigen Büro: Die schafft es selbst (größtenteils vegetarischen und eigentlich durchaus passablen) gemischten Salat so zuzubereiten daß er zumindest mir wie ein Backstein im Magen liegt.

    Es gibt aber auch wirklich persönliche Eigenheiten die nichts mit Gewöhnung zu tun haben: Aus eigener Erfahrung weiß ich daß ich z.B. auch recht saure, bittere oder gerbstoffreiche Kost noch schmackkhaft finde die viele andere nicht mehr herunterbekommen (Schlehen esse ich z.B. gern roh from Busch). Noch ausgeprägter ist es bei einem Bekannten der Bitterstoffe gar nicht wahrnimmt und für den selbst herbste Kräuterliköre angenehm fruchtig schmecken.
    Dafür merke ich bestimmte Aromen die vor allem in Milchprodukten, aber auch in überreifen Früchten oder (manche Hefen produzieren sie) selbst in dem einen oder anderen Wein vorkommen übermäßig stark wahr was dazu führt daß sie für mich unangenehm bis ungenießbar schmecken.

    Von daher würd ich davon ausgehen daß vor allem die ätherischen Aromen (Ingwer, Lavendel, diverse asiatische Zutaten -> schmeckt für viele wie Putzmittel) und die fischigen oder algenartigen Geschmacksrichtungen ebenfalls stark von der jeweils individuell unterschiedlichen Wahrnehmung abhängig sind.

    Und dann gibts ja noch Unverträglichkeiten, neben den üblichen Allergien und intoleranzen können auch größere Mengen oder bestimmte Mischungen oder Zubereitungsformen ansonsten unkritischer Nahrungsmittel dazu führen daß die Verdauung rebelliert – lästig wenn es ansonsten schmeckt, und hält durchaus auch davon ab in dieser Richtung herumzuprobieren.

    1. Lieber Sterni, vielen Dank für’s Teilen deiner Erfahrungen und für deine Ergänzungen!
      Für mich sind sehr herbe Geschmäcker auch ungenießbar. In Kombinationen geht es dann schon, z.B. wenn Raddicchio oder Chicoree im Salat mit drin sind. Aber pur bring ich das fast nicht runter. Genau wie Kaffee übrigens auch 🙂

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