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Einfach nur zuhören
Mein erstes Aha-Erlebnis, das ich mit der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) verbinde, war die Erfahrung, dass mir jemand zuhört. Ich erzählte einfach nur, was mir auf der Seele lag; und es hörte jemand aufmerksam zu – ohne zu urteilen, Ratschläge zu erteilen oder zu sagen, dass das doch gar nicht so schlimm sei im Vergleich zu dem, was XY durchgemacht hätte. Das tat unheimlich gut!
So sehen unsere Gespräche normalerweise aus
Was normalerweise passiert, wenn Menschen von ihren Problemen reden, ist folgendes: sie bekommen Ratschläge („Vielleicht hast du einen Vitaminmangel, lass dich doch mal checken.“) oder hören Beschwichtigungen („So schlimm kann es doch gar nicht sein.“) oder sie bekommen Mitleid („Du Ärmste!“) oder beschimpfen den, der vermeintlich an ihrem Problem Schuld hat („So ein Idiot! Wie konnte er nur…“) oder sie hören von den Erlebnissen der anderen („Also mir ist da letztens was ähnliches passiert…“). Und jetzt Hand aufs Herz: Tut das gut?
Oder wäre es nicht angenehmer, wenn du wüsstest, dass die zuhörende Person mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit bei dir ist und dir einfach nur zuhört?
Miteinander statt gegeneinander reden
Anstatt miteinander zu reden, reden wir oft gegeneinander. Das bedeutet: Ich erzähle dir etwas und du hörst nur mit halben Ohr zu und denkst bereits darüber nach, was du als nächstes zu mir sagen willst. Entweder, weil wir miteinander diskutieren und du mir so gerne deine Ansicht der Dinge mitteilen willst. Oder weil dich das, was ich erzähle, gar nicht interessiert. Du traust dich nur nicht, mir das zu sagen. Oder weil du dich über das aufregst, was ich in meinem ersten Satz gesagt habe und dringend dazu etwas sagen willst (obwohl ich das in meinem fünften Satz schon wieder abgeschwächt habe, aber das hast du nicht mehr gehört). Oder oder oder!
Und das ist ein Teufelskreis. Denn wenn wir nur reden und nicht richtig zuhören, kommen wir beide in einen Mangel von Gehört werden. Je größer der Mangel ist, umso dringender brauchen wir, dass uns jemand zuhört.
Empathisch zuhören
Empathie dagegen heißt: ich versuche nachzufühlen, was im anderen Menschen vor sich geht. Wenn ich empathisch zuhöre, heißt das, ich bin mit meiner Aufmerksamkeit ganz bei der anderen Person und kann nachempfinden, wie es ihr geht. Ich kann rückfragen und spiegeln, was ich gehört habe. Oder ich bin ganz still und präsent.
Was bringt uns das?
Gehört und gesehen werden gehört zu den wichtigsten Bedürfnissen, die wir Menschen haben. Leider trägt das von vielen von uns erlernte Redeverhalten nicht dazu bei. Anstatt dass wir durch Gespräche zusammen finden und wir uns gegenseitig Aufmerksamkeit schenken, frustrieren wir uns gegenseitig durch unser erlerntes Redeverhalten. Wirklich Abhilfe schafft nur, einander gleichermaßen zuzuhören. Zu reden und dann auch bereit zu sein, zuzuhören. Pausen zu lassen im Gespräch. Sich Zeit nehmen, Gedanken zu formulieren. Und auch der anderen Person Zeit zu lassen, ihre Gedanken zu formulieren.
Probier es aus: Aufmerksames zuhören
Such dir eine Person, mit der du üben möchtest und nehmt euch vor, einander einfach nur zuzuhören. Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr wollt. Vielleicht eine halbe bis ganze Stunde?
- Person A beginnt zu reden und wählt ein Thema, das sie gerade sehr beschäftigt. Versuch dabei wirklich bei dem zu bleiben, was dich beschäftigt und vermeide Allgemeinplätze.
- Person B hört zu, ist aufmerksam und schweigt. Sie achtet auf die Momente, in denen es ihr schwer fällt, weiter aufmerksam zu sein. Sobald eigene Gedanken auftauchen, schiebe sie liebevoll zur Seite. Sie kommen später dran.
- Wechselt nach 5 Minuten. Ihr könnt euch einen Wecker stellen. Dass ist wichtig, damit beide gleich viel Redezeit haben und damit gleichermaßen gehört werden. Wenn eine Person sehr lange redet, kann das für die aufmerksam zuhörende Person sehr anstrengend sein.
Danach könnt ihr euch austauschen. Was waren Momente, wo es euch schwer fiel, weiter aufmerksam zu sein? Wann war es besonders leicht?
Wenn ihr schon fortgeschrittene Zuhörer*innen seid, könnt ihr euch darin versuchen, empathisch nachzufragen, wie das Mädchen im Bild oben. Wie könnte es der anderen Person gerade gehen, was könnte sie brauchen?
Wie ist es für dich, wenn dir jemand aufmerksam zuhört? Wann fällt es dir leichter zuzuhören, wann fällt es dir schwerer?
Dieser Text basiert auf den Annahmen der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg.