Bio-Fleisch

Bio – ein Allheilmittel für alle Wehwehchen der Lebensmittelproduktion oder ein unersättlicher Wunschbrunnen für abergläubige Hausfrauen? Es klingt so schön: Bio ist gesund, Bio schmeckt besser, Bio ist tierfreundlich. Auf der anderen Seite: Bio ist teuer, Bio macht keinen Unterschied, Bio hat kein Moralbewusstsein. Jenseits aller Vorurteile und Marketingsprüche gibt es aber auch noch das, was Bio wirklich verspricht. Und was es hält.

Wie sieht Bio-Tierhaltung aus?

Bio-Fleisch – das sind glückliche Schweine, die sich im Dreck suhlen und quieken und einfach nur Spaß am Leben haben. So zeigt es die Werbung. So zeigt die Werbung aber auch die eng zusammengepferchten, verstümmelten Schweine aus konventioneller Tierhaltung. Der kann man nicht trauen, das ist nichts Neues. Was hilft da weiter? Ein Blick in die EG-Öko-Verordnung vielleicht? Irgendwo muss es schließlich Regeln geben, wer mit diesem ominösen Siegel prahlen darf und wer nicht.
Doch die EG-Öko-Verordnung besteht aus einer Ansammlung schwammiger Formulierungen, die viel Interpretationsspielraum lassen, wie z.B.:

Die Haltungspraktiken, einschließlich Besatzdichte und Unterbringung, müssen den entwicklungsbedingten, physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere gerecht werden.

oder:

Die Dauer von Tiertransporten muss möglichst kurz gehalten werden.

oder:

Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten.

Mit der Tierfreundlichkeit scheint es also auch biologisch nicht allzu weit her zu sein. Auch wenn ein Zugang zum Freigelände vorgegeben ist, kann die Größe des Freigeländes zwischen der Größe eines Fensterbretts und einer Parkanlage variieren. Verbreiteter dürfte das Fensterbrett sein.

Bioland-Richtlinien für Bio-Tierhaltung

Einige Gruppierungen unterwerfen sich eigenen Richtlinien, z.B.: Bioland und Demeter. Diese sind deutlich ausführlicher und konkreter als die EG-Öko-Verordnung.
So schreibt z.B. Bioland:

Nicht zugelassen sind:
– das Schwänzekupieren bei Rindern und Schweinen
– das prophylaktische Zähnekneifen bei Schweinen
– das Einziehen von Nasenringen und Nasenkrampen zur Verhinderung der Wühltätigkeit bei Schweinen
– verändernde Eingriffe beim Geflügel wie Schnäbel kupieren, Schnäbeltouchieren, Flügelkupieren

aber auch:

Einem Mastschwein bis zu 50kg Lebendgewicht steht mindestens eine Stallfläche von 0,8 m2 und eine Außenfläche von 0,6 m2 Netto zur Verfügung.

Das ist etwas weniger als eine Zimmertür. Einem Huhn steht dabei mindestens 0,16 m2 Stallfläche zu, etwas größer als eine Kloschüssel.
In den 54-seitigen Richtlinien ist genau geregelt, wieviel Platz einem Schwein und wieviel einem Kaninchen zusteht, was gefüttert werden darf und wie die medizinische Versorgung sein muss; und die Ausnahmefälle, wann diese Richtlinien außer acht gelassen werden dürfen.
Soviel zur Tierfreundlichkeit. Wie steht es um die Gesundheit? Prophylaktische Antibiotika-Gabe ist schon oft in Kritik geraten. Die Bioland-Ställe sind davon aber weitgehend frei:

Die Verwendung von Futter mit Wirk- und Zusatzstoffen wie antibiotische, chemobiotische oder hormonelle Leistungsförderer, Kokzidiostatika, Histomonostatika, Kupfer zur Leistungsförderung, NPN-Verbindungen, synthetische Aminosäuren und synthetische färbende Stoffe ist untersagt.

Wurde ein krankes Tier mehr als dreimal im Jahr mit Medikamenten behandelt, die nicht auf Naturheilverfahren basieren, darf es nicht mehr als Bio-Fleisch verkauft werden.

Demeter-Richtlinien für Bio-Tierhaltung

Ähnlich sieht es bei Demeter aus. Auch hier ist die Verstümmelung der Tiere verboten; auch die Enthornung von Rindern. Darauf ist Demeter übrigens ganz besonders stolz! Und die minimale Größe des Freigeländes ist ebenso wie bei Bioland genau definiert:

Für 1000 Tiere sind je 100 m2 Aussenklimabereich und Geflügellaufhof notwendig.

Man beachte: 1000 Hühner in einem Stall sind also durchaus zulässig, von mehr wird allerdings abgeraten.

Gefüttert wird zum großen Teil Demeter-Futter, ein bestimmter Anteil an anderem Bio-Futter ist allerdings erlaubt. Ansonsten gilt das gleiche wie auch bei Bioland. Rückstände von Antibiotika und anderen Medikamenten sind damit weitgehend ausgeschlossen.

Kein Fleisch statt Bio-Fleisch

Das sind Mindestanforderungen. Kann gut sein, dass manche Tiere an manchen Höfen ein wunderschönes Leben haben und die Hühner voller Inbrunst auf dem Hof scharren und picken und gackern dürfen. Tierfreundlich und artgerecht kann man diese Mindestanforderungen aber in keinem Fall nennen; auch wenn das Schicksal eines Schweins in konventioneller Haltung um ein Vielfaches trauriger aussieht. Gesünder mag das Fleisch immerhin sein: Arzneimittelrückstände dürften auf ein Minimum begrenzt sein. Und ob es besser schmeckt, das kann jemand, der tatsächlich Fleisch isst, sicher besser beurteilen.

Warum also Bio-Fleisch? Ich weiß es auch nicht; als Gewissensberuhigung funktioniert es wahrscheinlich allemal. Kein Fleisch ist allerdings die tierfreundlichere und umweltfreundlichere Alternative. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

4 Meinungen zu “Warum Bio-Fleisch?

  1. Nun, ich bin ja erwiesenermaßen ein Banause was die Herkunft und oft sogar die Zubereitung meines Essens angeht – ich merke also keinen Unterschied im Geschmack bei Bio / Nicht-Bio. Aber mir fällt in der Tat ein teurerer Preis auf und den will ich eher grundsätzlich selten zahlen, egal bei was.

    Mich persönlich haben auch die „grusligen“ Bilder und Berichte der üblichen Haltung von Tieren die zum Essen gedacht sind nie davon abgehalten Fleisch essen zu wollen. Es mag sich vielleicht makaber anhören, aber ich bin mir schon bewusst, dass die kein schönen Leben haben. Sie werden geboren um zur idealen Zeit geschlachtet zu werden, und bis dahin ist ihr Dasein auch kein Spaß. Aber – dafür sind sie nun einmal da. Sie sind nicht das geliebte Haustier was Teil der Familie ist oder ein Polizei-Hund der hilft Verbrecher zu fangen oder auch nur ein Kutsch-Pferd das die Arbeit oder den Transport erleichtert.

    Natürlich ist es grausam, wenn Tiere sinnlos gequält werden – egal was ihr Lebenszweck ist. Aber ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, warum man die im Artikel genannten Verstümmlungen überhaupt macht. Hast du dazu mal etwas herausgefunden?
    Was die Arzneimittel-Rückstände angeht, so hab ich ehrlich gesagt auch noch nie verstanden was so dramatisch daran ist. Klar, vielleicht sind das erst Sachen die man längerfristig merkt – aber was merkt man dann überhaupt? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas schlechte Auswirkungen hat? Oder kommt es nur gelegentlich vor, bei bestimmten Arzneimitteln oder gar nur wenn wirklich grober Missbrauch betrieben wird?

    Auf jeden Fall war es aber interessant mal einen kleinen Einblick in die Bio-Regeln zu erhalten. Ich hatte da tatsächlich auch strengere bzw. tierfreundlichere Vorgaben erwartet.

    1. Ja, die Verstümmelungen sollen die Tiere – bzw. das Fleisch, das Tier interessiert da eher weniger – quasi vor sich selbst beschützen. Wenn sie so eng untergebracht sind, kann es vor allem bei Schweinen, Rindern und Hühnern dazu kommen, dass sie sich gegenseitig annagen oder anpicken – Kannibalismus quasi.
      Auch die Enthornung bei Rinden hat eine ähnliche Funktion. 1. nehmen sie ohne Hörner weniger Platz weg, 2. gibt es ohne Hörner weniger bis gar keine Rangkämpfe, wodurch die Tiere sich weniger verletzen. Eigentlich sieht das Tierschutzgesetz vor, dass diese Maßnahmen zumindest ohne Betäubung passieren, aber kurioserweise scheint man davon auszugehen, dass Kälbchen unter 6 Wochen da weniger Schmerzen fühlen, als erwachsene Rinder und deswegen ist es zwar erlaubt Tierbabys ohne Betäubung zu verstümmeln, erwachsene Tiere aber nur mit Betäubung. Ähnlich ist es bei den anderen Tierarten.

  2. Bei mir geht die Tendenz beim Kauf ganz klar zu Biofleisch. Seitdem ich kein Student mehr bin und beim Essen nicht mehr so sehr auf den Preis achten muss, gebe ich gerne etwas mehr Geld für Biofleisch aus. Nach den ganzen Skandalen ist das Vertrauen zu den Billigprodukten einfach weg. Mir fällt es leichter einem kleinen Biohof der von einem Bio-Siegel-Anbieter wie z.B. Bioland kontrolliert wird zu vertrauen. Ansonsten greife ich auch bei anderen Produkten immer häufiger zu welchen mit einem Biosiegel. Ich bin mir sicher das viele Leute gerne mehr Bioprodukte kaufen würden, es aber einfach zu teuer ist. Im Endeffekt muss jeder Verbraucher selbst entscheiden wie viel man bereit ist für Lebensmittel auszugeben.

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