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Nachhaltig im Alltag: Interview mit Tobi Rosswog

Rund um das Thema „Nachhaltig im Alltag“ werde ich in den kommenden Wochen und Monaten Interviews mit Menschen führen, die sich um ein nachhaltiges Leben in ihrem Alltag bemühen. Dabei geht es mir darum, möglichst viele inspirierende Facetten zu zeigen, wie Menschen Lösungen für sich oder gemeinsam finden, um zu einer besseren Welt beizutragen.

Das erste Interview habe ich mit Tobi Rosswog geführt, Aktivist, Dozent, Autor und Initiator von utopistischen Mitmach- und Wirkräumen.

Interview mit Tobi Rosswog

Ganz kurz zu dir: Wie alt bist du? Gehst du einer Lohnarbeit nach? Wenn ja: Teilzeit oder Vollzeit und was genau machst du? Wenn nein: Wie bezeichnest du dich selbst?

tobi: Bin 27 Jahre alt, gehe keiner (Lohn-)Arbeit nach, sondern teile meine Fähigkeiten einfach so als Aktivist, Autor, freier Dozent und Initiator. Manchmal bekomme ich dabei Zugang zu Geld, was ich in einer gemeinsamen Ökonomie teile, um die Krankenkasse zu bezahlen. Den Großteil des Geldes geben wir weiter an emanzipatorische Strukturen.

Wie sieht ein typischer Tag in deinem Leben aus?

tobi: Einen typischen Alltag gibt es nicht. Allerdings gibt es eine gewisse Struktur, die ich mir selber gegeben habe. Ich stehe meist morgens um 5.53h auf und starte mit einem großen Glas Wasser, einer Zeit der Stille, Sport, ein bisschen Schreiben und Lesen in den Tag und beginne dann zu planen was ansteht. Wenn ich dann im Kollektivhaus bin, bereite ich für alle das Frühstück vor und um 9h ist gemeinsames Check-In. Zu der Zeit habe ich dann bereits die erste Mailantwortsession hinter mir und mache danach, was gerade ansteht. Manchmal gibt es dort Planungstreffen für Großprojekte wie das MOVE UTOPIA oder die UTOPIKON, welche ich mitinitiiert habe und demnach auch im Prozess begleite. Zwischen Wochenende und Werktag unterscheide ich dabei nicht.

Wenn ich nicht im Kollektivhaus bin, reise ich rum, um an Universitäten, Kongressen und Konferenzen Vorträge, Workshops und Lesungen zu geben – ungefähr 100 im Jahr. Nebenbei versuche ich mich dann noch mit Initiativen vor Ort zu vernetzen oder gebe Interviews. Insgesamt schreibe ich viele Mails hin und her oder sitze vor dem Computer, weil Kampagnen zu planen sind. Außerdem bin ich auch als Aktivist unterwegs und versuche ein klares Nein zu artikulieren und mit meinem Körper dafür einzustehen, damit zerstörerische Projekte wie der Tagebau von RWE im rheinischen Braunkohlerevier nicht unsere Zukunft stehlen. Es wird mir also nicht so schnell langweilig. Abends schlafe ich dankbar und glücklich ein so aktiv sein zu dürfen.

Was ist dir besonders wichtig an deinem nachhaltigen Lebensstil?

tobi: Besonders am Herzen liegt mir dabei die Frage, wie wir als Gesellschaft im Ganzen nachhaltig leben und damit eine Lebensweise gestalten können, die jenseits von Eigentum, Arbeit, Geld und damit Tausch organisiert wird, damit wir wirklich solidarisch und nachhaltig leben. Dabei ist das Thema Teilen ganz zentral und die Frage nach einer radikalen Suffizienz, Subsistenz und Sharing. Die Fragen sind also: Was brauchen wir wirklich? Wie können wir das jenseits von Staat und Markt organisieren und dann eben teilen, sodass das alle nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten leben können.

Ich teile radikal alles, egal ob Geld, Lebensmittel, Kleidung oder was auch immer. Dabei greife ich auf das zurück was sowieso bereits vorhanden ist. Lebensmittel via Foodsharing oder den permakulturellen Anbau im eigenen Garten, Kleidung über unseren Gemeinschaftskleiderschrank, den wir uns mit 20 Menschen teilen und vieles mehr. Einen kleinen Einblick ins Leben im Kollektivhaus findet ihr hier:

Was fällt dir leicht, was fällt dir schwer?

tobi: Mir fällt das glücklicherweise sehr leicht, weil ich meine nicht viel zu brauchen und außerdem ja super viel habe, weil wir in kollektiven Strukturen in Fülle und nicht im Mangel leben.

Was motiviert dich?

tobi: Mich motiviert vor allem mein Kind im Herzen, was mich morgens weckt und sagt: „Hey Tobi, los gehts. Wir können die Welt gemeinsam gestalten, denn Realität ist nicht starr, sie ist veränderbar“.

Außerdem bin ich sehr dankbar über die Resonanz auf die Ideen und ich merke dass alle die Sehnsucht teilen, dass dieses immer weiter, schneller, höher und besser nicht mehr stimmig ist.
Es führt uns psychisch, ökologisch und sozial an unsere Grenzen. In diesem Transformationsprozess möchte ich Verantwortung übernehmen. Das meine ich ganz sprachlich: Einst Antwort geben zu dürfen auf die Fragen der folgenden Generationen: „Was habt ihr getan damals, als es hieß, dass der Wandel kommen wird. Entweder by design or by desaster“? Ich möchte antworten dürfen: Ich habe mit all meiner Zeit und Energie alles gegeben und glücklicherweise ist es uns gemeinsam gelungen, sodass Du noch eine Lebensgrundlage hast, in der ein gutes Leben für alle für immer möglich ist.

Buchcover: After Work von Tobi Rosswog

Dein neustes Projekt ist das Buch „AFTER WORK“ zum Thema „Arbeit“. Was haben Nachhaltigkeit und Arbeit miteinander zu tun?

tobi: Seit 1972 und damit dem Bericht des Club of Rome ist mittlerweile allen bewusst, dass es auf einem begrenzten Planeten kein unendliches Wachstum geben kann. Die Wachstumslogik wird dank der degrowth Bewegung immer mehr hinterfragt. Das ist gut und wichtig. Allerdings fehlt dabei etwas entscheidendes: Wir stellen die Arbeitslogik nicht in Frage, die mit ihrem Produktivitäts- und Beschäftigungsfetisch dafür verantwortlich ist, dass destruktive Arbeit weiterhin legitimiert und praktiziert wird. Das Arbeitsplatz-Argument a la „Hauptsache es gibt Arbeitsplätze“ blendet alle. Egal, ob Du mit Deiner Arbeit im Kohlekraftwerk dem Klimawandel ordentlich einheizt oder in Großunternehmen andere Menschen global ausbeutest – es spielt keine Rolle. Die ökosoziale Perspektive wird im Namen der angeblich doch so notwendigen Arbeit außer Acht gelassen und vollkommen ignoriert. Dabei sollte allen klar sein: Auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze.

Im ersten Teil des Buches versuche ich in einer Kritik die Zusammenhängen zwischen Arbeit und Umwelt, Gesundheit,Soziales und vielem mehr zu beleuchten. Danach lade ich zum praktischen Teil ein und versuche eben den Prozess hin zu einer Gesellschaft jenseits der Arbeit zu gehen. Dabei lade ich ein sich Gedanken jenseits des Arbeitsfetisch hin zu einer radikal nachhaltigen Post-Work-Gesellschaft zu machen und praktisch zu werden.

Im Buch gebe ich Antwortideen auf die Fragen: Was macht Arbeit mit uns? Was macht Arbeit mit der Welt? Und: Warum arbeiten wir? Und ganz wichtig: Wie können Lebensmodelle aussehen, ohne Arbeit zu leben? Das heißt natürlich nicht, dass wir nichts mehr tun, sondern eben aus intrinsischer Motivation tätig und gemeinwohldienlich aktiv werden. Dieses Tätigsein bewegt sich dann zwischen Freude und Verantwortung.

Weiterführende Links

→ After Work von Tobi Rosswog (*)
→ Kollektiv für gelebte Utopie
→ Tobi Rosswog – Wege in ein neues Miteinander

Vielen Dank, lieber Tobi, für das Interview!

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