Euroscheine an der Wäscheleine

Das Potenzial des Bedingungslosen Grundeinkommens nutzen

Eine psychologische und bedürfnisorientierte Perspektive auf das Bedingungslose Grundeinkommen

Wie können wir erreichen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen sein volles Potenzial entfaltet und uns Menschen dabei unterstützt, ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen? Wie können wir dafür sorgen, dass sich ein Bedingungsloses Grundeinkommen positiv auf die Gesellschaft als Ganzes auswirkt, insbesondere auf aktuelle und künftige Arbeitslose? Und wie können wir eventuelle negative Auswirkungen verringern?

Es ist schon viel über das Bedingungslose Grundeinkommen geschrieben worden. Die Initiative „Mein Grundeinkommen“ hat vielfach gezeigt, wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen Menschen ermöglichen kann, sich selbst zu verwirklichen und weiterzubilden, während es gleichzeitig Gesundheit fördert und Stress reduziert. Aktuell hat die Initiative ein Pilotprojekt für ein Grundeinkommen für 3 Jahre für 120 Menschen gestartet. Damit soll eine wissenschaftliche Grundlage über die Pros und Contras des Bedingungslosen Grundeinkommens geschaffen werden.

De Aspekt, um den es mir geht, ist noch ein anderer. Ich glaube, dass es nicht ausreicht, nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, und dann wird alles gut. Ich glaube, das Bedingungslose Grundeinkommen hat das Potenzial, zu einer gerechteren und zufriedeneren Gesellschaft beizutragen. Es kann aber auch das Gegenteil bewirken. Deshalb möchte ich zeigen, was es noch braucht, damit ein Bedingungsloses Grundeinkommen wirklich funktioniert.

Ich schreibe aus meiner persönlichen Perspektive mit meinen persönlichen Erfahrungen. Und ich schreibe aus meiner professionellen Perspektive als Trainerin und Coach für Gewaltfreie Kommunikation mit einem fundierten Hintergrundwissen über die menschliche Psyche, Motivation und Trauma.

Slum Stadt
Grüne Hügellandschaft

Utopie und Dystopie eines Bedingungslosen Grundeinkommens

Ich beginne mit einer Dystopie. Eine Art „Basic Income“ gibt es in vielen Science Fiction Romanen. Ich picke ein Beispiel heraus, das ich kürzlich gelesen habe: In der im 24. Jahrhundert angesiedelten Buchreihe „The Expanse“ (*) von James S. A. Corey leben die allermeisten Menschen auf der Erde von einem Grundeinkommen. Arbeits- und Studienplätze sind hart umkämpft. Das Grundeinkommen hat, so würde ich es vergleichen, ein ähnliches Stigma wie HartzIV heute und es taugt nur zum allernötigsten. Es nimmt den Menschen Sinn und Würde.

Eine Utopievorstellung, die viele Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens teilen, ist, dass Menschen sich mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen automatisch freier fühlen, kreativer werden und Lust bekommen, gesellschaftlich beizutragen.

Auf der Seite der Utopie haben wir – überspitzt gesagt – die rosarote Brille auf das Bedingungslose Grundeinkommen, die die aktuelle gesellschaftliche Funktion von Arbeit nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite, der Dystopie, sehen wir eine eher schiefgelaufene Umsetzung der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens.

Die Dystopie kennzeichnet, dass die Einstellung zur Arbeit die gleiche geblieben ist wie in der heutigen Gesellschaft und dass sich die Menschheit im Prinzip nicht weiterentwickelt hat. Damit meine ich: Arbeit ist nach wie vor die einzige gesellschaftlich anerkannte Strategie, sich Sinn und Freiheit, Zugehörigkeit und Wertschätzung zu erfüllen.

Das liegt daran, dass Arbeit alles durchdringt und bestimmt. Daraus schließe ich, dass von unserer Einstellung zur Arbeit abhängt, wie erfolgreich ein Bedingungsloses Grundeinkommen sein könnte.

Wollen wir jedoch Arbeit neu denken, müssen wir alles neu denken.

Arbeit dient nicht nur dem bloßen Geldverdienen

Liste an Bedürfnissen, die durch Arbeit erfüllt werden können inkl. Bedürfnissen, die nur mit Geldverdienen zu tun haben
Liste von Bedürfnissen, die durch Arbeit erfüllt werden können inkl. der Bedürfnisse, die direkt etwas mit dem „Geldverdienen“ zu tun haben

Ich denke, es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Arbeit nicht nur dem Geldverdienen dient.

Arbeit hat das Potenzial, uns einen Großteil aller wichtigen menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen.

Bedürfnisse sind nach Marshall Rosenberg unsere Hauptantriebskraft im Leben. Ihre Erfüllung trägt maßgeblich zu einem erfüllten Leben bei.

Das Bedingungslose Grundeinkommen kümmert sich allerdings nur um einen Aspekt dieser Bedürfnisse: die Grundversorgung des Menschen. Also das, was wir mit Arbeit durch das Verdienen von Geld erreichen.

Es wäre daher naiv anzunehmen, dass all die anderen Bedürfnisse automatisch erfüllt werden würden, wenn wir das Geld aus Lohnarbeit einfach durch Geld aus dem Bedingungslosen Grundeinkommen ersetzen.

Spannend dabei ist auch, dass wir manche Bedürfnisse auch an Geld koppeln. So hängen Wertschätzung und Geld für viele Leute eng zusammen.

Es braucht also mehr als eine Maßnahme.

Daher ist mein Plädoyer: Lasst uns Konzepte entwickeln, die langfristig alle menschlichen Bedürfnisse auf dem Schirm haben, wenn wir so etwas wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen einführen.

Genug Geld – aber keine Arbeit

Als ich das erste Mal 2016 nach einem Burnout eine Auszeit nahm und viel freie Zeit zur Verfügung hatte, fiel es mir sehr schwer, damit gut umzugehen. Die ersten Wochen waren ganz toll, ich las viel und fühlte mich wohl damit. Doch irgendwann kam der Moment, wo ich dachte: Jetzt hast du aber genug ausgeruht, mach mal was Sinnvolles.

Einerseits war mir wichtig, besser auf mich zu achten. Andererseits hatte ich ein sehr stark ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, das mich darauf drängte, „etwas Sinnvolles für die Welt“ zu tun. Das Resultat daraus war häufig, dass ich in einen so angespannten Zustand kam, dass mir nichts anderes mehr einfiel, als stundenlang – teilweise tagelang – Serien zu schauen, um diese Anspannung nicht fühlen zu müssen.

Um uns unter Druck zu fühlen braucht es oft nämlich gar keine Arbeitsagentur, die mit Sanktionen im Nacken sitzt. Druck können wir Menschen schon ziemlich gut alleine.

Sich selbstständig für die Themen einzusetzen, die einem wichtig sind, sich dabei selbst zu organisieren und Aufgaben zu priorisieren – und dabei ausreichend Pausen und schöne Erlebnisse mit Freund*innen einzubauen – das ist wirklich schwer und fordert viel von einer einzelnen Person.

Wenn wir nun also alle ein Bedingungsloses Grundeinkommen bekommen, dann ist zwar (hoffentlich) für unsere grundlegenden Bedürfnisse wie „ein Dach über dem Kopf haben“, Nahrung und gefühlte Sicherheit gesorgt. Und das kann wirklich viel ausmachen und viel Energie freisetzen. Das heißt aber nicht, dass damit alles gut ist.

Es kann auch zu Überforderung führen, wenn ich keine Arbeit habe und ich nicht weiß, was mein Sinn im Leben ist. Wenn ich außerhalb der Arbeit kaum Kontakte habe und auf einmal ganz allein für mein Leben verantwortlich bin.

Wenn ich im Nachhinein auf mein Jahr Auszeit schaue, hätte ich für diese Zeit, in der ich komplett selbst über mich bestimmen konnte, mehr Unterstützung gebraucht.

50 Euro Schein als Schiff gefaltet

Selbstverantwortlich leben ohne Arbeit

Heute fällt es mir sehr viel leichter mit freier Zeit umzugehen und selbständig darüber zu entscheiden. Es hat sich aber auch seither viel in meinem Leben geändert. In den vier vergangenen Jahren habe ich insgesamt zwei Jahre lang Trauma-Therapie gemacht, ich habe Gewaltfreie Kommunikation gelernt, ich habe viel Zeit mit Selbstreflexion, Selbstempathie, Meditation und Prozessarbeit verbracht. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, was mein persönlicher Sinn im Leben ist. Und das Wichtigste: Ich bin damit nicht allein. Ich bin mit vielen großen und kleinen Gruppen und Netzwerken verbunden, die mich dabei unterstützen und die ich unterstütze.

Es hat mich mehrere Jahre Selbstreflexion, Lernen und Psychotherapie gekostet, bis ich so weit bin, dass ich Lohnarbeit nicht mehr zwingend für meine Bedürfniserfüllung brauche, weil ich mir diese Bedürfnisse – Gemeinschaft, Sinn, Wertschätzung, Anerkennung, Struktur, Orientierung – auch anders erfüllen kann. Und manchmal ist es trotzdem noch schwierig.

Das klingt irgendwie seltsam, wenn man bedenkt, wie viele Menschen über ihre Arbeit schimpfen und unzufrieden sind. Dass es so schwer sein soll, ohne Arbeit auszukommen. Dafür ist es wichtig, unser Gesellschaftssystem zu verstehen: Arbeit ist der Stern um den sich alles dreht. So ist auch die erste Frage, die man sich beim Kennenlernen stellt, diese: „Was arbeitest du?“

Arbeit hinterfragen

Heute bin ich in der Situation, dass ich für meine finanzielle Grundversorgung nicht arbeiten muss. Ich habe quasi mein persönliches Bedingungsloses Grundeinkommen, weil ich mir mit einer Person mein Leben teile, die mir durch ihren finanziellen Beitrag ermöglicht, dass ich selbst entscheiden kann, was ich mit meinem Leben machen möchte.

Und aktuell entscheide ich mich, neben meinen wenigen freiberuflichen Tätigkeiten keiner zusätzlichen Erwerbsarbeit nachzugehen. Dafür entscheide ich mich, der Spur meiner innersten Motivation zu folgen.

In Zukunft wird es voraussichtlich immer mehr in die Richtung gehen, dass es nicht genug Arbeit für alle gibt – und tatsächlich ist unser System heute schon danach ausgelegt, wie Anna Mayr in ihrem Buch „Die Elenden“ (*) darlegt. Der Untertitel lautet: Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht.

D.h. es macht Sinn, sich mit der Frage zu beschäftigen: Was tun wir, wenn wir keine Arbeit haben?

Das Konzept von „Arbeit“ und „Leistung“ als höchstes gesellschaftliches Gut steckt so tief in uns drin. Und gleichzeitig ist die Verachtung so groß für Leute, die nicht arbeiten. Und dabei ist in diesem gesellschaftlichen Glaubenssatz gar nicht mit inbegriffen, ob diese Arbeit irgendeinen gesellschaftlichen Sinn ergibt. Hauptsache Arbeit. Sehr treffend schreibt dazu auch Tobi Rosswog in „After Work“ (*) über sogenannte Bullshit Jobs. Er stellt dabei das Konzept der Lohnarbeit radikal in Frage.

Doch Arbeit und die damit erfüllbaren Bedürfnisse lassen sich entkoppeln. Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass Arbeit nur eine Möglichkeit ist, einem Leben Sinn und Ausrichtung zu geben. Und dafür ist sie noch nicht einmal besonders gut geeignet. Denn anstatt dass wir uns damit beschäftigen, was uns motiviert und wofür wir brennen, machen wir das, womit uns jemand anderes beauftragt.

20 Euro Schein zu einem Hemd gefaltet
100 Euro Schein zu einem Haus gefaltet

Was sind die Voraussetzungen, um die durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen gewonnene Freiheit auch in der Fülle nutzen können?

Selbstregulation als Grundlage

Laut Dami Charf, Trauma-Therapeutin und führende Trauma-Expertin im deutschsprachigen Raum, sind die drei Voraussetzungen für ein erfülltes Leben: Selbstregulation, Bindungsfähigkeit und Selbstliebe. Darüber schreibt sie unter anderem in ihrem aktuellen, für Laien gedachtes, Buch „Die 3 Quellen echten Lebensglücks“ (*).

Doch was bedeutet das alles? Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet Selbstregulation die Fähigkeit, die eigenen Gefühle innerhalb eines Toleranzfensters halten zu können, so dass sie uns nicht überfordern. Ein gut reguliertes Nervensystem zeichnet sich dadurch aus, dass es sich von selbst wieder beruhigen kann. Es kann es zwischen Reiz und Reaktion eine Pause machen und der Situation angemessen Gefühle äußern.

Selbstregulation ist keine Selbstkontrolle, es geht nicht darum, sich zusammenzureißen. Selbstregulation passiert nicht durch Willenskraft, sondern ist einfach da. Die Fähigkeit zur Selbstregulation lernen wir innerhalb der ersten drei Lebensjahre. Wir können sie aber auch als Erwachsene nachlernen.

Ein Beispiel: Die meisten Menschen, die in einer nahen Beziehung mit jemandem sind, sei es in der Partnerschaft oder mit Kindern, haben schon mal erlebt, wie eine vermeintliche Kleinigkeit zu einer völlig unverhältnismäßigen Reaktion führt. Bei manchen knallen Türen, andere treten verletzt den Rückzug an. Den Impuls zu dieser Über-Reaktion zu bemerken, eine Pause zu machen, Durchzuatmen und dann auf angemessenere Art zu reagieren, das ist ein wichtiger Teil von Selbstregulation.

Ohne oder mit wenig Selbstregulationsfähigkeiten und ohne uns selbst richtig spüren zu können, wird uns vieles im Leben schwer fallen. Das trifft insbesondere dann zu, wenn wir keine Arbeit mehr haben und über unsere Zeit völlig frei bestimmen können. Mit Arbeit bzw. wenn wir etwas zu tun haben, können wir uns selbst leichter entkommen – indem wir funktionieren und uns von unseren Emotionen und unserem Körper abspalten (dissoziieren).

Dissoziation wird häufig nur in Zusammenhang mit Schock-Trauma erwähnt, also wenn Menschen durch ein einmaliges, überwältigendes Ereignis ein Trauma erleiden. Dissoziation ist aber viel weiter verbreitet. Auf dem Blog von Dami erfährst du mehr darüber.

Gemeinschaft

Ohne Arbeit hat man weniger Kontakte. Kontakte zu machen, Freundschaften zu pflegen, auch das gehört zu den Grundkompetenzen, die es für ein erfülltes Leben braucht. Menschen sind soziale Wesen, die Kontakt und Nähe brauchen.

Und der Kontakt, den wir auf der Arbeit haben, ist nochmal ein anderer als der in der Familie oder im Freundeskreis. Er ist in der Regel weniger intim und mehr von Sachthemen geprägt. Wem es nicht leicht fällt über Persönliches zu sprechen, kann über die Arbeit trotzdem Kontakt mit Menschen haben. Ohne Arbeit wird das schwer.

Das heißt, wenn wir nicht mehr alle arbeiten, dann brauchen wir Konzepte, die Gemeinschaft fördern. Das ist ja auch heute schon ein Problem: Menschen, die im Alter vereinsamen. Die Individualisierung in den Großstädten. Nachbarn, die sich nicht mehr kennen. Auch die Idee, dass wir grundsätzlich alles alleine hinkriegen müssen, gehört zu dem Themenkomplex dazu.

Hände von mehreren Personen die mit einem Herz bemalt sind

Den eigenen Lebenssinn finden

Es wird oft gesagt, dass das Bedingungslose Grundeinkommen dafür sorgt, dass Menschen durch die Freiheit, die sie dadurch erlangen, kreativer und gesellschaftlich engagierter werden. Ich habe das auch geglaubt, bis ich es an mir selbst erlebt habe. Und mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass das für alle Menschen stimmt. Ich glaube, ein Bedingungsloses Grundeinkommen kann ein Umfeld schaffen, in dem es leichter wird, kreativ zu sein und sich gesellschaftlich zu engagieren. Aber es wird nicht automatisch passieren. Zu sehr steckt uns die Arbeit als Sinnerfüllung in den Knochen. Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft, in der wir uns zu wenig spüren und uns zu wenig damit beschäftigen, was unser Sinn im Leben ist.

Wenn wir nach dem Lebenssinn suchen, dann oft mit der Idee, dass es einen übergeordneten Sinn im Leben gibt, der für alle gilt. Doch ich glaube, dass wir alle auch einen individuellen Lebenssinn haben, mit dem wir zu etwas Größerem beitragen können. Und diesen zu finden, halte ich für einen sehr wichtigen Schlüssel zu einem erfüllten und selbstbestimmten Leben.

Der Zugang zu diesem Lebenssinn geht uns jedoch schon früh verloren. Wir wachsen in einem System auf, in dem wir bestraft und belohnt werden, je nachdem ob wir dem entsprechen, was andere von uns wollen. Dadurch lernen wir mehr darauf zu achten, was andere wollen, als auf unsere innerste Motivation zu hören. Tatsächlich gibt es Studien mit Kindern, die zeigen, dass Belohnungen für Verhalten, das sie eigentlich gerne machen, dazu führen, dass sie damit völlig aufhören.

Ein Beispiel, das auf einem klassischen Experiment basiert (Lepper, Greene und Nisbett, 1973): Die Kinder in einem Kindergarten lieben es, zu malen. Sie malen einfach von sich aus, nehmen sich Papier und Stifte und genießen den Prozess. Sie sind also im besten Sinne intrinsisch motiviert, zu malen.
Die Erzieherin kommt jetzt auf die Idee, das Verhalten (Malen) zusätzlich (extrinsisch) zu motivieren. Am Montag nächster Woche fängt sie an. Sie verspricht den Kindern für jedes gemalte Bild jeweils fünf Gummibärchen und teilt diese dann aus. Was passiert? Die Kinder malen noch mehr, aber die Bilder werden einfacher und weniger komplex – es geht ja jetzt um die Gummibärchen und weniger um den Spaß am Malen. Darin spiegelt sich die Wirkung extrinsischer Anreize auf Quantität wieder. Bis zum Ende der Woche nimmt die Malleistung auch wieder ab, denn die Kinder gewöhnen sich an Gummibärchen – diese werden nicht mehr als etwas besonders empfunden.
Zu Beginn nächster Woche kommt der Paukenschlag: Es gibt keine Gummibärchen mehr! Die meisten Kinder, die vorher ohne extrinsische Anreize gerne gemalt haben, hören jetzt auf zu malen. Es gibt ja keine Gummibärchen mehr dafür! Die intrinsische Motivation für ein Verhalten wurde also durch extrinsische Anreize zerstört.

https://wpgs.de/fachtexte/motivation/intrinsische-motivation-und-extrinsische-motivation/

Das Geschenk der Bedingungslosigkeit annehmen

Ich denke, Geld von einer anderen Person anzunehmen, ist es schwieriger, als es vom Staat anzunehmen. Dennoch ist dieser Punkt für mich wichtig. Noch im Sommer habe ich Bewerbungen geschrieben auf Stellen, die mich zwar interessiert haben, für die ich aber 40 Stunden pro Woche hätte arbeiten müssen. Das hätte bedeutet, dass ich einen Großteil der (ehrenamtlichen) Tätigkeiten, die ich sonst in der Woche mache, nicht mehr hätte tun können. Und doch saß der Leitsatz so tief: Du musst etwas zurück geben. Du darfst nicht einfach etwas annehmen, ohne dass du etwas zurück gibst.

Und interessanterweise steckt darin auch Scham als Reaktion auf einen Gedanken, der dem gesellschaftlichen Leitbild nicht entspricht. Denn genau dafür ist Scham da: um uns darauf hinzuweisen, dass wir gerade etwas machen, was den impliziten oder expliziten gesellschaftlichen Absprachen zuwider läuft.

Und erst durch den Austausch mit anderen, die auch andere Wege gehen wollen, wird es möglich, sich davon zu lösen.

Dabei geht es mir darum, zu verdeutlichen, wie tief das Prinzip von Leistung und Gegenleistung in uns steckt. Für viele gilt das sogar beim Schenken von Geburtstagsgeschenken. Sie schauen darauf, den gleichen Gegenwert zu schenken oder fühlen sich verpflichtet, etwas zurück zu schenken, auch wenn sie gerade keine gute Idee haben.

Doch das Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“ ist keineswegs gottgegeben. Und genauso wie ich bedingungslos annehmen möchte, so möchte ich auch bedingungslos geben.

Wenn ich weiß, dass ich darauf zählen kann, dass mir so viel gegeben wird, wie ich brauche und ich das wirklich annehmen kann, dann erhöht sich meine Bereitschaft ohne Gegenleistung zu geben signifikant.

Im Weiteren soll es um ganz konkrete Maßnahmen gehen, wie wir das Potenzial eines Bedingungslosen Grundeinkommens auch wirklich gut nutzen können.

Ideen für Begleitmaßnahmen für ein Bedingungsloses Grundeinkommen

Psychologische Begleitung und Coaching

Wenn wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen einführen, dann ist meiner Meinung nach das Wichtigste, eine psychologische Begleitung und Unterstützung zu gewährleisten. Einerseits um eine Basis zu schaffen für ein potentiell erfülltes Leben, durch den Aufbau von Selbstregulations- und Bindungsfähigkeiten und Selbstliebe. Aber auch um dabei zu unterstützen, einen Sinn zu finden jenseits von Arbeit.

So eine Begleitung sollte barrierefrei für alle zugänglich sein. Sie sollte eine klare Empfehlung sein. Und natürlich müssen wir unsere Einstellung zur Psychotherapie als solche verändern. Therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen sollte nicht mit einem Stigma behaftet sein, sondern eine selbstverständliche Maßnahme zur gesundheitlichen und spirituellen Selbstfürsorge. Aber da sind wir ja schon auf dem Weg.

Nachbarschaftsknotenpunkte

Ich stelle mir Knotenpunkte in jeder Nachbarschaft vor, die es Menschen ermöglicht, sich dort zu treffen und je nach Interesse Menschen in der Nachbarschaft kennen zu lernen. Nachbarschafts- und Stadtteilhäuser gibt es an vielen Orten ja schon.

Unterstützen können dabei Internetplattformen, mit denen man sich anhand der eigenen Interessen vernetzen kann. Die Plattform nebenan.de gibt es da ja auch schon. So richtig genutzt wird sie aber – zumindest in meiner Gegend – nicht zum Kennenlernen, sondern eher als Anzeigen-Plattform.

Doch was hindert Menschen eigentlich, neue Leute kennen zu lernen? Ich glaube, dass das sehr unterschiedlich pro Person ist. Manche hindern Vorurteile oder Ängste. Und für manche ist es auch überhaupt kein Problem, neue Bekanntschaften zu machen.

Für mich ist beispielsweise sehr wichtig, dass ich den Eindruck habe, dass jemand wirklich an mir interessiert ist und mir wirklich zuhört. Und ich habe im Laufe der Zeit festgestellt, dass diese Fähigkeit des Zuhörens gar nicht so weit verbreitet ist. Doch nur so entsteht auch wirklich Nähe in der Beziehung: Wenn wir davon erzählen, was uns wirklich bewegt und über unsere Gefühle und Bedürfnisse reden und uns auch mal verletzlich zeigen.

Und ich denke, diese Art sich begegnen, können Nachbarschaftshäuser fördern.

Empathiegruppen / Lerngruppen / Peer-Coachinggruppen

Über Plattformen wie nebenan.de oder über ein Schwarzes Brett am Nachbarschaftshaus (oder sogar eine staatliche Plattform für Lern- und Empathiegruppen) können sich Menschen finden, die sich gegenseitig auf ihrem Weg unterstützen. Welchen Zweck die Gruppe verfolgt, kann ganz unterschiedlich sein. Vielleicht gibt es eine Gruppe, die sich zu einem bestimmten Thema fortbilden möchte. Oder eine Gruppe, die sich persönlich weiterentwickeln möchte. Oder eine Gruppe, die ein Projekt auf die Beine stellen möchte. Oder eine Gruppe, die sich intensiv mit dem eigenen Lebenssinn auseinandersetzen möchte.

Ich bin mittlerweile in mehreren solcher Gruppen. Eine unterstützt mich dabei, die Zertifizierung zur Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (GFK) zu machen. Eine andere geht um Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung. Wieder eine andere geht darum, sich gemeinsam dem Thema GFK und Politik anzunähern und zu lernen. Und dann bin ich noch in einigen Gruppen, wo es um konkrete Aufgaben und Projekte geht. Mittlerweile bin ich auch in einer internationalen Gruppe, was durch Videokonferenzen auch immer mehr möglich wird. Das ist auch sinnvoll, gerade wenn es für die Themen, die einen interessieren, keine Menschen in nächster Nähe gibt.

Je nach Thema und Anwendungsfall unterscheidet sich die Anzahl der Menschen in der Gruppe und das Treffenintervall. Meine liebste Gruppengröße ist 3-4, insbesondere wenn es um persönliche Themen geht.

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Das mache ich mit meinem persönlichen Bedingungslosen Grundeinkommen

Hier wollte ich aufschreiben, was ich aktuell alles mit meinem persönlichen „Bedingungslosen Grundeinkommen“ mache, um zu zeigen, dass ich gar nicht faul bin und mich gesellschaftlich einbringe. Doch eigentlich ist das gar nicht wichtig. Denn eigentlich soll es doch darum gehen, dass wir freier werden vom „Leistung – Gegenleistung“-Paradigma und auch durchaus mal nichts tun dürfen.

Deswegen beende ich mit einem Zitat:

In einer Kultur, in der Erschöpfung als Statussymbol gesehen wird, braucht es Mut, Ja zum Ausruhen und zum Spielen zu sagen.

Brené Brown
Zwei Menschen, die zusammen da liegen und sitzen

Dieser Artikel hat eine Auszeichnung vom seventeen goals Magazin erhalten.

2 Meinungen zu “Das Potenzial des Bedingungslosen Grundeinkommens nutzen

  1. Wow, ich bin gerade wirklich begeistert von deinem Artikel! Darin sind so viele Gedanken enthalten, die ich mir auch zum Grundeinkommen mache und von denen ich mir wünsche, dass sie mehr Menschen erreichen.
    Die Gedanken zu den psychologischen Begleitmaßnahmen finde ich übrigens besonders spannend. Es klingt so logisch, dass man eben jene Menschen, die ihr Dasein bisher an die Arbeit geknüpft haben, auf irgendeine Art wieder „auffängt“. So braucht es wirklich einige Menschen, die sie auf ihrer neuen Sinnsuche begleiten. Durch diese Hilfe können viele von ihnen vielleicht auch endlich mal in die Lage kommen, ihr bisher nicht ausgelebtes kreatives Potential zu entfalten. Und auch wenn man nicht jeden so erreicht, wie man es sich für ihn wünschen würde: ich bin überzeugt davon, dass all das die Welt ein Stück besser machen wird!

    Vielen Dank für diesen Beitrag! Man spürt deutlich, wie sehr dir das Thema am Herzen liegt und es tut gut zu lesen, dass man mit seinen Wünschen nicht alleine ist.

    Liebe Grüße
    Journey

    1. Hi Journey, oh wie schön! Ich freu mich sehr über deinen Kommentar – und dass damit auch ich mit meinen Gedanken und Ideen nicht alleine bin :)))

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